Kann man als Wisssenschaftlerin auf Social Media ernstgenommen werden? Das erfahrt ihr im heutigen Newsletter. Spoiler: Es ist kein Hindernis für eine Karriere an einer New Yorker Universität.

“Kritisches Denken sollte kein Privileg sein”

Sie nimmt auf TikTok Supplement-Werbungen und Diät-Trends auseinander und erreicht damit mehr als 32.000 Menschen: Sophie Imhof ist eigentlich Neurowissenschaftlerin und PostDoc an der Cornell University in New York, hat aber ihr Hobby zum Business gemacht. Neben ihrem Influencer-Dasein hat sie jetzt auch ein eigenes Magazin auf den Markt gebracht, “Wunderwerk Leben”. Im Interview erklärt Imhof, wie sich Wissenschaft und Unternehmertum verbinden lassen und wie sie ihre Reichweite nutzt.

Wie bist du auf die Idee gekommen, als Wissenschaftlerin eine persönliche Marke in den sozialen Medien aufzubauen?

Meine wissenschaftliche Arbeit hat mir die Tür zu den faszinierendsten und zugleich eigenartigsten Mechanismen und Systemen unseres Seins geöffnet. Dabei fordert sie immer wieder, die eigenen kognitiven Grenzen auszuloten und sich der Herausforderung zu stellen, das scheinbar Unverständliche zu begreifen. Für mich bedeutet Biologie nicht nur, das Leben zu verstehen, sondern auch, es in seiner ganzen Tiefe wertzuschätzen und keine Sekunde unserer Zeit auf diesem Planeten als selbstverständlich hinzunehmen.

Diese Faszination für die Biologie hat in mir früh den Wunsch geweckt, diese Wertschätzung auch anderen Menschen näherzubringen. Und was könnte dabei wirksamer sein als ein bisschen Reichweite? Social Media wurde für mich zur Plattform, weil ich überzeugt bin, dass wissenschaftliches – sprich: kritisches – Denken kein Privileg sein sollte. Vielmehr ist es ein Werkzeug, das allen zugänglich sein sollte.

Ich glaube fest daran, dass viele globale, lokale und persönliche Probleme durch wissenschaftliches Denken gelöst werden können. Mit meinen Kanälen möchte ich dazu einladen, kritisch zu denken, die Schönheit des Lebens zu erkennen und – ganz pragmatisch – auf Daten, Zahlen und Signifikanzen zu vertrauen.

Was ist deine Strategie, aus unternehmerischer oder persönlicher Sicht? Also ist das für dich eher Business oder Vergnügen?

Mein Hauptinhalt auf Social Media besteht darin, mit einer Prise Schmäh plakative Werbungen für Gesundheitsprodukte, die oft durch klassisches Influencer-Marketing verbreitet werden, zu analysieren und wissenschaftlich aufzubereiten. Was zunächst als reiner Spaß begann – schließlich fand ich schlechte Werbung schon immer ziemlich amüsant – hat sich innerhalb eines Jahres zu etwas Größerem entwickelt. Heute habe ich zwei Medienunternehmen, eines in Wien und eines in New York City, was vielleicht zeigt, wie  sich meine Perspektive und Ziele doch schon verändert haben.

Schon mein ganzes Leben lang war es mein Traum, in der Wissenschaft zu arbeiten, und dieser Leidenschaft gehe ich auch mit großer Hingabe nach. Dennoch habe ich viele andere Interessen, die ich ebenfalls verfolgen möchte. Besonders die Wissenschaftskommunikation und die damit verbundene Welt des Marketings haben es mir angetan. Es macht mir unglaublichen Spaß, diese faszinierenden, oft komplexen Mechanismen einem breiteren Publikum näherzubringen und gleichzeitig mein kreatives Potenzial in neuen Bereichen auszutesten.

In vielen Branchen zählt die persönliche Reichweite bereits zu den Assets einer Mitarbeiterin, wie sieht es in der Wissenschaft aus? Wie reagieren Arbeitgeber in der Wissenschaft auf deine massentauglichen Inhalte?

Auch wenn die Wissenschaft eine hochdynamische Disziplin ist und sich kontinuierlich weiterentwickelt, haben viele der Menschen, die sie betreiben, den Anschluss an Social Media noch nicht ganz gefunden. Dabei möchte ich betonen, dass meine Erfahrungen aber stark vom Standort abhängen.

Während ich in Österreich leider öfters mit Skepsis und sogar einem gewissen Belächeln seitens Kolleg:innen und Vorgesetzten konfrontiert wurde, wird Social-Media-Kompetenz in New York City als ein wertvolles Asset angesehen, das durchaus geschätzt wird. Unternehmerisches Denken ist in der Wissenschaft eine Seltenheit, da es dort schlichtweg nicht oft benötigt wird. In den USA jedoch wird genau dieser Ansatz stark gefördert. Viele Forschungsprojekte zielen auf sogenannte Spin-offs ab, und Personen mit unternehmerischem Know-how werden als wertvolle Unterstützung betrachtet.

Mittlerweile fühle ich mich in meiner aktuellen Arbeitsumgebung sehr wohl, wenn ich offen über meine nebenberuflichen Tätigkeiten spreche. Die Reaktionen darauf sind hier überwiegend positiv, was einen Kontrast zu meinen Erfahrungen in Österreich darstellt.

Du lebst seit einigen Monaten in New York: Welche Trends aus Wissenschaft oder auch Social Media sollten unsere Leser:innen am Radar haben? 

Ich denke, ein wesentlicher Unterschied im Mindset – sei es in der Wissenschaft oder der Wirtschaft – liegt darin, dass hier in New York City alles auf den Fokus auf Profit ausgerichtet ist. Das Streben nach finanziellen Zielen bringt eine gewisse Schnelllebigkeit mit sich, die nicht zwangsläufig negativ sein muss. Vielmehr fördert diese Dynamik eine außergewöhnliche Effizienz in der Arbeit, wobei hier sehr genau auf die Leistung geachtet wird und das Arbeitsverhältnis bei unzureichender Performance rasch beendet werden kann. Diese hohe Anforderung steigert zwar den Druck auf den Einzelnen, trägt jedoch gleichzeitig zu einer unglaublichen Effizienz innerhalb eines Teams oder Unternehmens bei.

Im Vergleich dazu sucht man in Österreich oft nach Lösungen für Probleme, was häufig eine längere Zeit in Anspruch nimmt, um überhaupt die nötige Expertise zu finden. In New York hingegen fühlt es sich oft so an, als stünden einem gleich fünf zentrale Unterstützungsangebote zur Verfügung. Ein ähnliches Muster lässt sich auch im Bereich Social Media erkennen. Hier sind Creators nicht nur geübt darin, Social Media als Spaß zu nutzen, sondern vor allem als Business-Tool. An einem Influencer-Treffen in NYC teilzunehmen bedeutet, eine Gruppe erfolgreicher Unternehmer zu treffen, die ein breites Spektrum an Talenten und Interessen vertreten. Eine Energie, die ansteckt!

Du hast soeben dein erstes Magazin veröffentlicht, welches Ziel verfolgst du damit?

Mein Ziel auf Social Media ist es, nicht nur wissenschaftliche Daten zu vermitteln, sondern vor allem wissenschaftliches Denken zu fördern. In einer Zeit, in der nahezu jeder ohne Verifizierung seine Meinung äußern kann, ist es entscheidend, skeptisch und kritisch zu bleiben. Besonders in der Welt der sozialen Medien, in der Dauer und Häufigkeit von Inhalten oft über die Qualität stellen, wollte ich mit meinem Magazin einen Raum schaffen, in dem Themen tiefgründiger und langfristiger behandelt werden können.

Mein Magazin “Wunderwerk Leben” ist eine Einladung, das Leben in all seiner Komplexität zu hinterfragen, bizarre biologische Mechanismen zu ergründen und Dankbarkeit für das Wunder unseres Daseins zu entwickeln. Es vereint auf eine, zugegeben, unkonventionelle, aber für mich durchaus sinnvolle Weise wissenschaftliche Erklärungen mit philosophischen Perspektiven.

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